Thaer und Humboldt

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Alexander von Humboldt und Albrecht Daniel Thaer:

Ein ungeklärtes Verhältnis

Mitten im Zentrum Berlins vis-a-vis vom Stadtschloss, dem künftigen Humboldt-Forum, bleibt der von Johann Peter Lenné gestaltete Schinkelplatz unweit der Friedrichswerderschen Kirche von Touristen weitgehend unbeachtet. Das mag sich nach Fertigstellung des Stadtschlosses und nach Wiedererrichtung der Bauakademie ändern. Mit der Aufstellung des Denkmals für Karl Friedrich Schinkel im Jahre 1869 erhielt der Platz in Würdigung von dessen Lebenswerk als Architekt und Städtebauer den Namen Schinkelplatz.

Die Denkmäler für Albrecht Daniel Thaer und Peter Christian Wilhelm Beuth als zwei weitere prominente Repräsentanten des preußischen Bürgertums wurden hier schon früher 1860 bzw. 1861 errichtet. Das Denkmal von Peter Christian Wilhelm Beuth, der als Ministerialbeamter Gewerbe und Industrialisierung Preußens vorantrieb, steht neben dem von Thaer, dem Begründer des wissenschaftlichen Landbaus. Die damit interpretierte Polarität von Stadt und Land, urbanem und ländlichen Raum, wird durch den ins Denkmal von Beuth integrierten abgesägten Baum unterstrichen, mehr aber noch durch die Sockelreliefs seiner Statue.

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Hier finden wir im Relief der Südseite Alexander von Humboldt dargestellt, dessen Hauptwerk ‘Kosmos’ von jugendlichen Druckern der Druckmaschine entnommen wird. Alexander von Humboldt kann seit seiner Südamerikareise (1799-1804) als erster Ökologe gelten, lange bevor der Begriff ‚Ökologie‘ im Jahre 1866 von Ernst Haeckel erstmalig definiert wurde und lange bevor Ökologie als wissenschaftliches Fachgebiet in den 1970er Jahren Eingang in die universitäre Ausbildung fand. Hatte man bei der Fertigung der Reliefsockel der Statue von Beuth schon im Blick, dass ‚die Stadt‘ - und aufgeklärtes wissenschaftlich rationales Denken - den ländlichen Raum und die Natur bedrängen könnten? Das Sockelrelief an der Ostseite könnte diese Vermutung stützen. Hier weist Goethe mahnend auf eine Inschrift, seinen Satz „Denn die Natur ist aller Meister Meister, sie zeigt uns erst den Geist der Geister“. Goethe wendet sich Schinkel zu, der ihm aber über Baupläne gebeugt nur den Rücken zuwendet.

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Die unter der Inschrift in die camera obscura blickende Person ist dem jüngeren Goethe ähnlich. Auch dieser Sachverhalt unterstützt unsere Vermutung einer möglichen frühen Warnung davor, dass Natur, Landschaft und ländlicher Raum mit zunehmender Mechanisierung, Industrialisierung und Bautätigkeit einem nicht gewollten Wandel unterliegen könnten.

Lässt sich damit ein Spannungsverhältnis zwischen Alexander von Humboldt und Albrecht Daniel Thaer, dem Begründer der rationellen Landwirtschaft ableiten? Goethe wertschätzte beide, begegnete Humboldt wiederholt, widmete Thaer einen Lobtext, der dann von Zelter im ‚Thaer-Lied‘ vertont wurde. Wie aber standen Humboldt und Thaer zueinander? Humboldt hatte in Südamerika die kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft gelobt. Thaers rationelle Landwirtschaft wurde nach dem Vorbild der von der industriellen Revolution geprägten englischen Landwirtschaft vor allem in landwirtschaftlichen Großbetrieben Preussens umgesetzt. Die von Thaer unterstützte Bodenreform dürfte gleichwohl auch von Humboldt gewürdigt worden sein. Aber Humboldt hatte Justus von Liebig, den vermeintlichen Begründer der ‚Mineralstofftheorie‘, in Paris kennengelernt und protegiert. Hatte Thaer als Begründer der ‚Humuslehre‘ diesen Sachverhalt als Affront Humboldts empfunden?

Die Gründungsurkunde der Berliner Universität trägt die Unterschriften beider Wissenschaftler. Von direkten Begegnungen und ihrem Verhältnis zueinander ist unseres Wissens gleichwohl bislang nichts bekannt. Der Fördergesellschaft Albrecht Daniel Thaer stellen sich zum 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt neue Forschungsfragen.

U.Köpke